Jahr für Jahr, immer wieder freitags am Ring dasselbe Gefühl. Eine Mischung aus Vorfreude, endlich endender Sehnsucht, das Gefühl vom Ankommen und Wiedersehen bekannter Gesichter, Beton, Wegen und Bühnen. Auch nach 15 Jahren fühlt es sich an, als sei es das erste Mal. Wobei es dieses Jahr tatsächlich ein persönliches erstes Mal gibt. Ich reise im Wohnmobil an – werde ich etwa alt? Vielleicht, aber ich musste dieses Feeling auch einmal ausprobieren und wissen, ob es wirklich ein Sprung in eine andere Liga ist, wenn man den Ring mit gutem Schlaf, wetterunabhängig und die Nacht über vor allem warm verbringen kann. Die Antwort lautet ja! Wiederholung gewiss!
Der Freitag ist vom Line Up ein wahrer, musikalischer Liebhaber- Festivaltag. 2005 wäre ich vermutlich lattenstramm erst zu While She Sleeps gekrabbelt, in der Hoffnung, nachts noch etwas von Beartooth mitzubekommen.
2019 beginnt mein Programm bei wirklich ringtypischen Wetter aber mit Drangsal auf der Crater Stage um kurz vor Vier. New Wave Pop, der ein gut gefülltes Publikum vor die Bühne zieht, wobei viele auch schon einfach auf die Chartbreaker von Welshly Arms warten. Radiotaugliche Musik zieht nun mal, dennoch kann man der Band einen gewissen musikalischen Anspruch nicht absprechen. Drangsal verdienen aber diesen tollen Slot auf der Ex-Alternastage, denn diese Kreativität und Diversität ist wirklich hörenswert, auch wenn der Anteil an Coversongs in der Setlist relativ hoch ist.
Zwischenzeitlich beginnt für mich aber noch das Bühnen-Hopping, da ich einer gewissen Ms. Hale die Ehre auf der Hauptbühne erweisen möchte. Halestorm rocken sowas von die Volcano Stage und es macht einfach Spaß, dieser unfassbar talentierten Frau bei Ihrer Arbeit zuzuhören.
Halestorm legen die Latte musikalischer Qualität früh hoch, doch spätestens um 19.20 Uhr kassieren Slash und Myles Kennedy die gesetzt Messlatte. Das Festival erlebt eine Legende im Zusammenspiel mit einem Sänger, der mit seiner einzigartigen Stimme zu den wirklich genialen Riffs des Guns’n Roses Gitarristen brilliert.
Schmerzhaft ist die Entscheidung, While She Sleeps zu verpassen, aber Foals auf der Crator Stage müssen unbedingt mitgenommen werden. Zumal wir von der Hard Radioshow auf dem Konto von While She Sleeps schon einige Zähler haben, Foals hingegen Jungfräulichkeit bei uns aufweisen und wirklich einfach angenehmer Indie/Rock der aktuellen Zeit präsentieren. Zusammen mit ihren elektronischen Einflüssen mausert sich die Band aus Oxford zu einer Größe, dessen Weg hier nicht enden oder stehen bleiben wird.
Das muntere Stage- Hopping geht für mich weiter, denn Beartooth auf der Alternastage beginnen um 22.30 Uhr Ihre Show. Energiegeladen und eigen im Sound zieht die Band verdammt viele Menschen an. Ich würde sagen, hier hat man die Zugkraft etwas unterschätzt. Die Band hätte locker eine größere Bühne bespielen und füllen können – wunderschön zu sehen, dass ihre Arbeit von vielen Fans so gewürdigt wird. Selten auch so einen ausgewogenen Sound auf der kleinsten Bühne am Ring gehört. Gute Leistung vom PA Menschen!
Um 23.00 Uhr spielt der erste Headliner vom Wochenende und auch hier zeigt sich, dass dieser Tag etwas für Musikliebhaber ist und ebenfalls Mut der Booker beweist. Denn mit Tool hat man keine aktuelle, in den Charts vertretene Band gebucht, sondern etwas für Genießer, wohlwissend, dass der Bereich vor der Bühne nicht Metallicaniveau erreichen wird. Aber jeder der anwesenden Besucher wird mit einem wunderbar ausgewogenem Sound und visuellem Highlight belohnt. Mit den genialen Eindrücken von Tool geht’s um halb eins dann zurück zum Campingground und die Vorfreude auf meine erste Nacht im Camper steigt.
Holy Hell – ein super entspannter erster Festivaltag liegt hinter mir und eine ebenso wundervoll, entspannte Bettruhe. Ich denke jetzt wird es schwierig, jemals wieder ohne dieses luxuriöse Gefährt ein Festival zu besuchen. We’ll see..
Der Tag beginnt früh und heute ist sowas Metal angesagt – also absolut unser Hard Radioshow Tag! Ehrlichweise bin ich hin und her gerissen, ob ich wirklich um 13.30 schon vor dem Eröffnungsact The Hu stehen muss – aber mein Kollege wirkt überzeugend und so stoßen wir zu der überschaubaren Traube Menschen, die die mongolischen Band auf keinen Fall verpassen möchten. Unterhaltsam ist es auf jeden Fall – musikalisch interessant und da die ein oder anderen Features von The Hu auch Größen wie Jacoby Shaddix anzogen, keine vergeudete Zeit vor der Bühne.
Mit Fever 333 und I Prevail folgen dann allerdings gleich zwei energiegeladenere Acts – das Publikum ist direkt on fire und die beiden Bands werden definitiv weiter Richtung Co Headliner klettern. Bemerkenswert ist Brian von I Previal – mit eingegipstem Bein dreht und läuft er die Bühne auf und ab, immer wieder mit stark überzeugenden cleanen Vocals. Respekt für diese Leistung und Show.
Gleich zwei persönliche Highlights warten heute noch auf mich auf der mittelgroßen, der drei vorhandenen Bühnen in der Eifel. Zunächst freue ich mich auf Trivium, eine Band, die Hard Radioshow Zuhörer geläufig ist, da wir Sie seit der ersten Stunde auf Ihrem Weg begleiten und auch diverse Interviews führten. Zu meiner Überraschung sind gleich fünf der neun Songs, die Corey, Matt, Paolo und Alex in Ihren Timeslot packen vom 2017 erschienene Album The Sin and The Sentence. Ich freue mich, dass die Band diesen mutigen Schritt wagt und nicht eine Visitenkarte Ihrer gängigsten Songs abliefert, wie es 80% aller Bands auf Festivals sonst machen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass ich den ein oder anderen Old School Trivium Kracher vermisse. Mit Alex Bent an der Trommel, ist die Band mittlerweile unfassbar komplett und virtuos unterwegs, dass es eigentlich Co Headliner Niveau der Crater Stage hätte.
Wettertechnisch ist es heute wirklich durchwachsen, wobei der Wind am meisten auffällt. So werden aus sicherheitstechnischen Gründen auch einige Seitenbanner der Bühnen abgehangen.
Passend zu Architects finde ich mich wieder vor der Bühne ein, denn mit dem aktuellen Album Holy Hell, trifft die Band aus England genau den Nerv der Zeit und steht anderen Metalcoregrößen wie Killswitch Engange, AILD oder Parkway Drive nichts nach. Auch die Band aus Brighton beweist schon wie zuvor Trivium Mut, sechs Ihrer insgesamt zwölf Songs vom aktuellen Album zum Besten zu geben. Diese haben es in sich. Mit Modern Misery als Opener, Holy Hell, Royal Beggars und Doomsday beweisen die fünf Briten, dass Sie den Tod von Tom überwunden haben und in seinem Sinne weitermachen.
Währenddessen nehmen fünf andere Briten die Hauptbühne auf der Rückseite der Boxengasse auseinander. Bring Me The Horizon, voreinst Metalcore Tyrannen, mittlerweile irgendwas zwischen Alternative Rock und Electropop Diven, lassen mich staunen. Denn Ihr Set besteht tatsächlich aus metallastigen Songs und hätte sich somit perfekt auf einer anderen Bühne, nämlich nach den Architects eingereiht, mit denen die Band schon unzählige, gemeinsame Gigs spielte. Dankenswerterweise ist die cleane Stimme von Oli gesanglich recht passabel geworden und das Playback nicht mehr ganz stark wahrzunehmen. Tatsächlich ist ihr Auftritt super straight, tight und lässt mich durchaus glücklichzurück.
Kaum zu glauben, dass BMTH schon Co Headliner des Tages waren und sich somit die beste Band der Welt ankündigt. Die nächsten 2 ½ Stunden gehören einer Band aus Berlin, keinen geringeren als Die Ärzte. 31 unfassbar kultige, spaßige und rockbare Songs präsentieren Farin, Bela und Rod den Zuschauern und das sind verdammt viele vor der Bühne. Schon 2007 waren die Ärzte ultra lang auf der Stage und unterhielten das Publikum in feinster Ärztemanier. 12 Jahre später ist dies nicht anders, wohlgleich auch Ihr Humor 12 Jahre älter geworden ist und das junge Publikum eher zwischen peinlich berührtem oder einem Mitleidsschmunzeln schwankt. Auch wenn Slayers Abschiedstournee ebenfalls halt am Ring macht, kann ich mich nicht von den Ärzten loseisen, zu viel Spaß hat man und euphorisch ist die Stimmung, egal ob unten direkt in der Crowd oder oben auf der Tribüne, wo die Presse Ihren Platz hat.
Dennoch soll heute noch nicht Schluss für mich sein. Die Antwoord aus Afrika schließen den zweiten Festivaltag ab. Das bedeutet nichts Geringeres als völlig losgelöstes Abspacken, zu verrückten Elektroklängen und speziellen Vocals von Landi und Ninja.
Ein drittes und letztes Mal steige ich am Ring 2019 aus meinem geliehenen Camper und genieße die Camping Atmosphäre, von der Festivals leben. Denn nach diesem Spirit sind wir Besucher süchtig und schmachten Jahr für Jahr auf die Wiederholung. Deshalb ist es auch nie verwunderlich, dass die meisten Festivalbesucher, auf den gleichen Zeltplätzen landen, wie im Vorjahr und man eine Art Nachbarschaft kennt.
Dritter Festivaltag und ein persönlicher Wunsch geht in Erfüllung, denn mit Atreyu eröffnet die Volcanostage heute ein Act, den ich seit meiner Jugend höre, aber noch nie live sehen konnte. Brandon Saller (Schlagzeuger) übernimmt zu meiner Freude den kompletten Gesang des Auftrittes, mit einer super ausgewogenen Setlist. The Time Is Now, Right Side of the Bed, Becoming the Bull, Ex’s and Oh’s. Ich kann mein Glück kaum fassen und auch zum Lachen komme ich. Denn als das Bon Jovi Cover You Give Love A bad Name gespielt wird, werden tatsächlich einige Festivalbesucher hysterisch, in der Annahme, Bon Jovi sind auf der Bühne.
Meine gute Stimmung bekommt einen leichten Knick im Anschluss, denn Godsmack möchten meinen Ohren so gar nicht gefallen. Gesanglich war das nichts, im Gegensatz zu Amon Amarth. Die Vikinger Hünen aus Schweden präsentieren wie schon 2015 trotz Tagesslot ein Bühnenbild, das Headlinerwürdig ist. Das sie musikalisch und vom Entertainment soweit wären, zumindest für die Crater Stage, steht meiner Meinung nach außer Frage und ich hätte mich sehr gefreut, wenn die Band den heutigen Co Headliner vor Slipknot gegeben hätten.
Den nächsten Act schauen wir direkt aus dem A Bereich vor der Volcano Stage. Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich mit The BossHoss musikalisch absolut nichts abfangen kann und diese Band absolut überschätzt finde. Das gesamte Publikum sieht es wohl genauso – zumindest bei Rock am Ring 2019. Auch die Band bekommt die Stimmung mit und gibt nach einigen Versuchen, mit dem Publikum zu interagieren, genervt auf. Mambo Kurt wäre eine bessere Wahl gewesen und hätte es allen Anwesenden leichter gemacht. Auch mit Tenacious D habe ich meine persönlichen Probleme. Klar, das ein oder andere Lied kenne ich, lasse ich durchgehen. Unterhaltsam und amüsant, kreativ und musikalisch echt solide – aber nach 15 Minuten doch etwas zäh und für mich persönlich langatmig. Ich bleibe dabei, Amon Amarth wären die besseren Co Headliner gewesen, wenn auch das Publikum Tenacious D würdig feiert – vermutlich aber mehr aus unterhaltsamen Aspekten.
Um kurz vor Elf ist es dann soweit und der letzte Headliner für 2019 wartet hinter einem riesigen Banner auf die eröffnenden Klänge des Intros. People = Shit, (sic), Get This, Unsainted, Disasterpiece, Before I Forget, The Heretic Anthem und Psychosocial. Ich weiß gar nicht, wann ich Luft holen soll. Der Ring ist außer sich, eine Circle Pit nach der anderen. Schweiß, Bier, Freude, Euphorie, Enge. Mitten im Publikum wird man nur so mitgerissen, alleine schon vom mächtig lauten Sound, der gerne etwas weniger Bass vertragen könnte. Denn so manche Gitarrenriffs gehen bei dieser Wand an Geräuschen unter. Das Bühnenbild ist total zeitgemäß, alles LED Leinwände, sogar die Percussions mit runden LED Leinwänden Made in Germany! Im Vergleich zur letzten Bühnenkulisse von 2015, wirkt es in diesem Jahr richtig aufgeräumt und strukturiert für Slipknot Verhältnisse. 2015 passte aber besser zur verrückten Aufmachung der Band.
Ein wahrer Genuss und auch irrsinnig komisch, dass eine Band wie Slipknot, von so vielen Menschen gekannt und mitgeshouted wird. All Out Life, Duality, Spit It Out und Surfacing bilden das Ende Ihres 17 songstarken Spektakels.
Ein gebührendes Ende von Rock am Ring 2019, womit auch direkt die Vorfreude auf Rock am Ring 2020 mit Volbeat, Green Day und System Of A Down beginnt.
Wieder verabschiede ich mich mit einem Danke für ein unvergessliches Festival! Bis zum nächsten Jahr, wenn der Wettergott verrücktspielt, die Scheiß- Tribüne zum Staatsfeind Nr.1 wird und 88.600 Zuschauer ein unvergessliches Wochenende in der Eifel erleben!
Bis zum nächsten Jahr & rock’n roll und stay hard, euer Tobi!