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Rock am Ring 2022

Welcome Home! Nach zwei Jahren Zwangspause feiert Rock am Ring sein zweimalig verschobenes 35-jähriges Jubiläum am Nürburgring. Zwei Jahre des langen Wartens für Besucher, Veranstalter, Bands und der Eifelregion. Die Zeit der Sehnsucht nach Love, Peace and Rock’n Roll ist spätestens seit Freitag vorbei und die hard- radioshow war das gesamte Wochenende für euch dabei.

Don’t call it a comeback heißt eine produzierte Miniserie des Veranstalters, die Menschen betrachtet, die dieses Festival ausmachen. Und auch wenn sich Rock am Ring 2022 wie ein Comeback anfühlt, ist es alles andere als das:

Ab 2022 organisiert nämlich nicht mehr der langjährige Veranstalter Marek Lieberberg Konzertagentur unter LiveNation das Zwillingsfestival, sondern die 2020 gegründete Konzertagentur DreamHaus zusammen mit eventimpresents. Auch wenn erfahrene Live Nation Mitarbeiter den Weg nun unter DreamHaus Flagge weiter gehen, bedeutet das für ein so großes, planungsintensives Projekt wie dieses nicht automatisch ein eingespielter Selbstläufer zu sein. Zumal die Veranstaltungsbranche, coronabedingt, fähige Mitarbeiter in jeglichem Gewerk verloren hat und man hier nun ebenfalls Lücken schließen muss, die größer sind als man sich vorstellen kann. Neben den immer sichtbaren Security/ Ordnern und Thekenkräften, sind es vor allem Rigger, Bühnenbauer oder erfahrene Soundmenschen, die für die Qualität, Sicherheit und Durchführung eines Festivals von Bedeutung sind. Schon die kleinste, nicht bedachte Nuance vom Riskmanager, bedeutet Verzögerungen bei der Öffnung eines Campingplatzes, Anreisechaos oder Kommunikationsketten, die nicht stabil funktionieren und die Orga chaotisch wirken lassen. Ich selbst bin immer äußerst kritisch, wenn es um die Umsetzung und Organisation von Events geht, nach zwei Jahren Stillstand, benötigt es aber mehr als nur Energie, Aufbruchsstimmung, Planung und Freude am Job – unser Verständnis und vor allem Mitwirken. Erfahrene Ringrocker, die Neulinge gerne vor Ort unterstützen und den gewohnten Festivalspirit leben. Denn das macht ein Festivalfeeling doch erst aus und lässt uns eine „Familie“ sein. Nach zwei Jahren Abstinenz müssen alle erst mal wieder den Motor in Bewegung setzen, dass dieser eventuell holprig startet, darf anzunehmen und klar zu bekommen sein.

Ebenfalls kann man einen Neustart sehr gut nutzen und zeigen, wie mutig und entschlossen man tatsächlich ist, Rock am Ring zu einem zukunftsfähigen Festival zu formen. Das Thema Nachhaltigkeit, als auch Diversität, steht hier an vorderster Stelle laut Matt Schwarz (CEO DremHaus) und es wird spannend zu sehen sein, wie 2022 erste Dinge angepackt werden. So findet man vor Festivalbeginn auf der offiziellen Homepage Kooperationen mit tentation und Utopia, durch die ermöglicht wird, kaputte und liegen gelassene Zelte weiterzuverwenden. Auch beim Thema Sponsoren und Partner entdecke ich zwei interessante Neuerungen. Mit tiktok als Sponsor erhält Rock am Ring Zugriff auf eines der reichweitenstärksten Social Media Plattformen, die zur Zeit zu bekommen sind und somit ebenfalls Zugang zu einer sehr jungen Zielgruppe, die man vorher nicht direkt angesprochen hat.

Die zweite Auffälligkeit finde ich unter Partnern. Denn neben den bekannten großen Magazinen, hat man mit morecore.de Kollegen als Partner dabei, die vor Jahren noch keinen Platz in der Aufzählung bekommen hätten. Hierdurch zeigt DreamHaus, dass weiterhin der Metal und Core Fan als Zielgruppe relevant ist, was wir von der hard-radioshow ziemlich stark finden!

Größte Neuerung ist wohl das bargeldlose Zahlen auf und abseits des Festivals (außer im Lidl Rockshop). Das System wird auf anderen Großveranstaltungen schon länger verwendet und verspricht mit faster.safer.better ein absoluter Mehrwert für den Besucher zu werden.

In der Vergangenheit hatte man MLK immer für Ihre schlechte Kommunikation mit den Fans oder aber für wenig Präsenz auf Social Media Plattformen kritisiert, sodass sich hier für DreamHaus mit die größte Chance auftut, etwas spürbar in Richtung Informationsfluss und Kommunikation zu verändern, Fannähe aufbauen.

Dieses klappt leider nur bedingt im Vorfeld und wird für 2023 einen deutlichen Push brauchen. So kamen Informationen wie der Gelände- und Campingplan oder über das Aufladen der Cashless Wristbands (zu erst ohne PayPal) leider äußerst spät, Informationen oft zeitverzögert auf den diversen Kanälen von Rock am Ring (Instagram mehr und früher als auf der Homepage) oder man musste in den ständig geupdateten FAQ’s nach den Neuerungen suchen, bis man später über Instagram Postings endlich auf diese Updates konkreter Hinwies. Das man im Timetable Don Broco und Die Kassierer nachträglich nochmal tauschte, wurde gänzlich verschwiegen.

Jedoch reagierte man auf gewisse Kritikpunkte, änderte diese zeitnah -PayPal beim Cashless System oder die Beschilderung zu den Campingplätzen – und stieg zumindest bei Instagram in die Kommunikation besser ein. Sogar eine Erreichbarkeit per WhatsApp Chat wurde kurzfristig gepostet. Richtig so!

Mit Transparenz erreicht man viel bei Menschen, vor allem Verständnis, aber eben auch Unterstützung. Ich hoffe, dass im kommenden Jahr einige Dinge geordneter und früher mitgeteilt werden, nicht scheibchenweise oder während des Festivals, wie das Abstellen der Duschen für eine begrenzte Zeit nachts, um regulierend Wasser zu sparen, auf Grund der zerstörten Infrastruktur durch die Flutkatastrophe im Ahrtal, wofür jeder Besucher Verständnis hat. Verkauft man allerdings zuerst Duschflats im Vorfeld und informiert erst über dieses Eingreifen am ersten Festivaltag mit dem Zusatz, bitte tagsüber zu duschen, ist dieses kein fairer Umgang mit Fans und sorgt für Unmut. Ebenfalls im Kern eine gute Sache: Pre- Order der Warsteiner Bier Paletten. Doch auch hier kann man meiner Meinung nach nicht weit im Vorfeld Abholmöglichkeiten anbieten (Camping A5) und diese dann sang und klanglos im weiteren Verlauf des Jahres streichen und Einsparen. Was die Kommunikation mit den Besuchern im Vorfeld des Festivals also angeht, scheint es etwas auf letzter Rille zu laufen. Ich kann aber versichern, dass wenn das Wochenende beginnt, die meisten Kopfschüttel- Momente vergessen sein werden und der Spaß und die Freude Überhand nehmen!

Also rein ins Wochenende:

Mittlerweile trage ich mein Cashless- Bändchen, konnte super einfach per PayPal meinen Wunschbetrag aufladen, hätte aber andernfalls auch eines der Top Up Stationen nutzen können. Überglücklich stehe ich auf dem Campingplatz und schaue in ebenso glückliche Gesichter von Media- Kollegen, denn der grandiose Wahnsinn namens Rock am Ring geht wirklich wieder los.

Zum Auftakt auf der Utopia Stage (eigentlich Centerstage) laden keine geringeren als die Jungs von den Donots ein, sodass es vor der Bühne geplant voll ist. Bei bestem Wetter heizt Ingo das Publikum mächtig ein und präsentiert dann eine grandiose Überraschung, gleich zu Beginn des Tages. Für einige Songs übernehmen Die Toten Hosen das Set und bringen die Menge zum Überlaufen. Freude pur und ein Gefühl, dass man nicht kaufen, aber auch kaum beschreiben kann. Das ist Festival – das ist Rock am Ring! Ein komplett gegenteiliges Gefühl erlebe ich dann aber kurz nach vier auf der Orbit Stage, wo die technisch hoch komplexe aber sehr versierte Band Unprocessed spielt. Leider scheint es technische Probleme mit dem Takt/ Klick zu geben, auch der Sound ist nicht so optimal gesteuert, dass es meine Live- Erwartungen leider so gar nicht erfüllt. Anders aber die vierer Kapelle von Fire From The Gods aus Texas, mit Ihrem Drummer aus Wiesbaden, der das Publikum auf deutsch begrüßt. Die Band strahlt vor Kraft und Energie, spielt ein super Set, als Anspieltipp empfehle ich den Song Victory. Leider ist auch jetzt der Sound noch immer schwierig. Der Gesang wirkt zu leise und die Background Loops und Synths sind deutlich zu laut. Ich denke, dass die kleinste der drei Bühnen an dem Standpunkt auch einfach sehr schwer zu handel ist für jeden Tontechniker am Mischpult. Auch die Positionierung vom FOH seitwärts, birgt eine riesen Gefahr und benötigt unglaubliche Erfahrung.

Im Anschluss spielt eine Band, die in die laufende Debatte zum männlich dominierten Publikum eingrätscht. Mit Spiritbox kommt eine der aufstrebensten Bands der aktuellen Zeit an den Ring, die mit einer umwerfenden Frontfrau besetzt ist. Courtney strahlt eine unglaubliche Aura aus und lässt so ziemlich alle Besucher staunen, wie Vielfältig Ihre Stimme ist. Denn neben einer super angenehmen cleanen Stimme, die On- Point Töne trifft, schreit und growlt Sie so mächtig, dass männliche Kollegen in den Schatten gestellt werden. Wie ausgewechselt ist auch der Sound, was sehr dankbar für den teilweise atmosphärischen Sound der Band ist. Mein absolutes Freitagshighlight neben Fire From The Gods, welche wir im Nachgang bei uns zum Interview verabredet haben.

Auf der Utopia Stage geben sich derweil die Punk- Legenden von The Offspring die Ehre und wie jedes Mal, wenn Dexter am Start war, zieht die Band die Massen an. Unglaublich schön, diese Menschenmenge, friedlich, glücklich und feiernd zu den Klängen von Let The Bad Times Roll oder Pretty Fly zu sehen.

Auffällig ist die bunte Mischung des Publikums, welche ich so nicht erwartet habe. Durch tiktok vermutete ich das Publikum deutlich jünger, aber wohin ich auch gehe, es sind immer deutlich mehr Ü30 und vor allem Ü50 Menschen zu sehen – was sehr für die Diversität des Festivals spricht! Das Line Up bringt junge, neue Menschen zusammen mit Besuchern, die Rock am Ring als „nach Hause kommen“ und Hometown Festival sehen. Grandios.

Um auch endlich mal die zweite Bühne, in diesem Jahr Mandora getauft, vor mit zu haben, schauen wir uns Jan Delay an und was soll ich sagen, Party pur. Starker Auftritt mit einer überragenden Band. Gewohnt talentierten Background Sängerinnen und einer Parade an Hits, die einfach wirklich gut sind und das Leben wieder fühlen lassen. Ich hätte nicht gedacht, dass nach Corona, dieses normale Verhalten genau so zurückkehrt, wie es 2019 war.

Ich komme mit vielen Besuchern des Festivals ins Gespräch, bei dem auffällig wird, dass auf dem Campingplatz B5, die Toilittensituation nicht optimal zu sein scheint. Ein sehr schwieriger Sachverhalt, denn solche Sachen sind arg subjektiv und wenn ich zu Stoßzeiten Richtung wassergespülten Klos oder Duschen gehe, muss ich mit Wartezeit, als auch der ein oder anderen unliebsamen, dreckigeren Einrichtung rechnen. That’s Festival.

90.000 Karten wurden im Vorfeld verkauft – allerdings diverse Tickets schon 2020, wodurch mit einer relativ hohen No- Show- Rate gerechnet werden kann. Bei Clubkonzerten schwankt dieser Wert zwischen 10-25 % – am Ring sind es gerade mal 5 % sodass man auf stolze 85.000 Besucher kommt. Ein Bild davon bekommt man bei dem ersten Headliner des Wochenendes. Green Day.

Unfassbar voll ist es vor der Utopia Stage und wieder Mal beweist sich, dass Punk Headliner am Ring super funktionieren. Die Leute haben Bock, die Band und vor allem Frontman Billy Joel haben Bock, das Bier macht ebenfalls mächtig Bock und das Publikum ist förmlich in Ekstase. Unglaublich glücklich sind die Fans, die auf die Bühne durften um einige Riffs zu spielen und später gesanglich zu unterstützen. Wobei der gute Mann wohl so geflasht war, dass er nicht wusste, was er eigentlich für eine Aufgabe hat, außer dem Publikum einzuheizen.

American Idiot, Holiday, Know Your Enemy und Boulevard of Broken Dreams direkt zu beginn des Sets – was will man mehr?! Natürlich When I Come Around und Basket Case, welche im Set ebenfalls vorkommen und einen ersten Festivaltag der Utopia Stage klasse abschließen lassen, bevor die Wanderpilgerung zum Late Night Special zur Mandora Stage beginnt. Keine geringeren als Scooter geben sich in diesem Jahr endlich die Ehre – ein Highlight für jeden Ringrocker Die-Hard-Fan. Doch ehrlichgesagt finde ich das was da so passiert eher befremdlich und leicht peinlich – ich muss mehr Lachen, als dass ich das ernst nehmen kann. Furchtbare Ansagen zwischen den Songs, relativ viele gleiche Rave Beats und eine absolut stümperhafte Animation. Ich liebe Late Night Specials am Ring – im Vergleich zu The Prodigy, Skrillex oder Deadmau5 aber, ist das heute eher schwierig für mich und mehr belustigend.

Entgegen der Wetterprognose, beginnt der Samstag strahlend und warm – welch ein Segen! Wir starten sanft in den Tag, resümieren gemeinschaftlich beim Grillen über den Festivalfreitag und stellen fest, dass das Thema Nachhaltigkeit und Frauenanteil im Line Up allgegenwärtig ist. Grüner Strom wird dort benutzt, wo er verfügbar ist, Müll soll vermieden werden, 60% der WCs sind mit wassersparender Vakuum-Technik ausgestattet, Organic und nachhaltig hergestelltes Merchandising, wenig bis kein Einweggeschirr auf dem Gelände, alle Urinale funktionieren wasserlos.

Doch Radler wird auf dem Infield aus Aluminium- Dosen in Becher gefüllt, welche in der Herstellung extrem belastend für einen grünen Fußabdruck sind. Mülleimer sind eher Mangelware, sodass doch recht viel Müll den Weg zum Boden findet.

Das größte und interessanteste Thema neben der An- und Abfahrt und dem damit verbundenem Ausstoß an CO2, wird auch das Thema der Generatoren sein. Hier wird nur ein baldiges und kostengünstiges Vordringen von Wasserstofftechnologie die Generatoren und nebenstehenden Tanks ersetzen können.

Beim Thema Logistik hat man mit DB einen Partner, der natürlich schon jetzt für mehr „Güter gehören auf die Schiene“ wirbt.

BTW: Eine richtig feine Sache für Frauen am Ring in 2022 ist Missoir.

Checkt den Link – großes Lob an DreamHaus, dass den Frauen von Missoir Platz eingeräumt wurde.

Ich bin super gestärkt und mit Lichtschutzfaktor 50 eingecremt für den heutigen Samstag, der sportlich wird, denn oftmals spielen sehenswerte Bands zeitgleich, auf den verschiedenen Bühnen. So auch direkt zu Beginn mit Boston Manor auf der kleinen Orbit Stage und Baroness auf der Mandora Stage.

Daher habe ich mir den Weg über die Orbit, zur Mandora Stage gelegt, wo man an Henrys Stimme auch einfach nicht vorbei kommen kann. Der Sound geht deutlich angenehmer als am Vortag ins Ohr, die überragende Stimme von Henry, fesselt, sodass es eine angenehme Anzahl an Zuschauern vor der Bühne gibt. Es tut mir schon fast Leid, dass ich nur drei Songs mitnehmen kann, aber Baroness zu verpassen – ein Unding für die hard- radioshow.

Mit Gina Gleason ist seit 2017 eine charismatische und vor allem talentierte Rockerin an der Klampfe, die meine volle Bewunderung hat. Ganz große Ausstrahlung und ein slugiges Soundgefüge, dass zu den sommerlichen Temperaturen einfach wie Faust aufs Auge passt. Von mir aus hätte die Band noch eine Stunde dran hängen können – der Vibe schwappt super rüber und macht es Mastodon im Anschluss leicht, auf der Welle weiter zu reiten.

Ich bewege mich allerdings zwischenzeitlich zurück zur Orbit Stage, wo ein Band nachgerückt ist, die als neue Hoffnung des Punks gilt. The Linda Lindas aus Kalifornien. Doch so sehr ich mich bemühe, neben dem total schwachen Sound, überzeugen mich die vier Frauen einfach nicht mit Ihrer Songwriting- Qualität – ich stehe wohl allein mit dieser Meinung im Publikum. Vielleicht sind auch nur einige durch Boston Manor an der Bühne kleben geblieben und da auf der Hauptbühne heute Nachmittag Hip Hop stattfindet, gibt es einfach kaum eine Alternative?! Ich lehne mich mal aus dem Fenster an dieser Stelle und sollte das Label von The Linda Lindas nicht massig Geld zwecks Marketing, Support- Shows und Songwriter ausgeben, wird das nichts.

Anders als bei Fever333, die wie aus dem Nichts direkt in die zweite Reihe der größeren Bands geflogen sind. Diese Mischung aus Rage Against The Machine und Punk kommt seit Jahren gut an, wie könnte es auch anders sein, bei der Bühnenpräsens und Show von Jason. Bei Made in America flippt die Crowd ordentlich aus und spätestens beim Schlusssong und Super Hit der Band Burn it Down, bleibt Fever333 auch bei Ringrockern im Gedächtnis, die vorher nichts von der Band kannten.

Eine persönliche Zerreißprobe steht mir nun bevor. Meiner Meinung nach zur besten Uhrzeit – dem sogenannten Magical Slot, da der Sonnenuntergang ein unfassbar magisches Potential entfaltet – spielen gleich zwei meiner unverzichtbarsten Bands des Wochenendes.

Don Broco auf der Orbit Stage macht den Anfang und wie zu erwarten, stehen etliche Fans von Die Kassierer parat, um vom Slottausch überrascht zu werden. Obwohl im Timetable getauscht, haben wirklich viele Zuschauer diese Änderung nicht mitbekommen.

Mit Manchester Super Reds No.1 Fan startet die Band energisch Ihr Set und hat die Menge direkt in der Hand. Die erste große Circle Pit an diesem Festival, die ich vor mir habe – ein Gefühl von Leben ist zurück! Ich genieße zwischen den Songs den typisch britische Humor von Frontman Rob, der erklärt, dass er nicht Don Broco ist, sondern die Band so heißt, auch wenn man nur Ihn auf dem Backdrop sehen kann. Dieses ist nämlich zu groß für die Bühne, sodass die anderen Mitglieder abgeschnitten sind. Das hitträchtige dreier Pack bestehend aus Come Out to LA, Gumshield und meinem All Time Favorite Song der Band Technology, machen es mir brutal schwer, den Ort zu wechseln. Aber wer will sich vorwerfen lassen, Placebo – Kenner sagen auch Place- Bo 😉 nicht mitgenommen zu haben. Rechtzeitig zu The Bitter End treffe ich an der Hauptbühne ein und sehe eine farbenfrohe Visualisierung und unerwartet wenig Zuschauer. Die Band spielte am Ring sogar schon als Headliner und brachte im März mit Never Let Me Go Ihr achtes Studio Album heraus. Mit dem Kate Bush Cover Runnig Up That Hill beenden Brian und Stefan Ihre Show.

Nach einer 40 minütigen Umbaupause präsentiert der zweite Headliner des Festivals eine bombast Show vom aller feinsten. Muse hauen satte 22 Songs raus, alles mit einem so perfekt abgemischten Sound, dass manche Band neidisch werden lässt. Wie unfassbar ausgewogen das Soundgefüge an jede Stelle des Rings ankommt – ich weiß es nicht, aber es ist grandios.

Auch das Bühnenbild ist eindrucksvoll: ein gigantischer Kopf mit Kapuze, der sich von links nach rechts bewegt. Die Lichtshow ist perfekt abgestimmt und untermalt die Arbeit von Drummer Dominic unfassbar intensiv. Ich erkenne einen deutlichen Unterschied, was die Menschenmasse vor der Bühne angeht, denn so voll wie bei Green Day ist es heute nicht. Dafür ist der Sound auf einem gänzlich anderen Niveau.

Ein letztes Mal bewege ich mich noch zur Orbit Stage zurück, denn mit Sondaschule spielt eine Band, die auch schon hier in der Region oft aufgetreten ist und die wir von der hard- radioshow immer wieder gerne unterstützen.

Schön zu sehen, dass es noch so viele Menschen zur kleinen Bühne zieht.

Mit Regenschauer und kühleren Temperaturen wache ich am letzten Festivaltag auf. Was waren wir die letzten zwei Tage vom Wetter gesegnet, anders als jede Prognose erahnen ließ, gab es keinen Regen bis hierher und erst Recht kein Gewitter.

Mich stört der Regen überhaupt nicht und kann mir die Vorfreude auf den heutigen, sehr stark besetzten Tag nicht nehmen. Denn gleich zu Beginn geben sich Myles Kennedy und Marc Tremonti mit Ihren Soloprojekten nacheinander die Klinke in die Hand oder eher das Kabel, um es in die jeweiligen Gitarrenbuchsen zu schließen.

Tremonti etabliert sein Soloprojekt seit Jahren Konstant, war schon häufiger am Ring und zeigt mit dem zweiten Song If Not For You seine starken Songwriting Skills. Ein Virtuose an der Gitarre, aber spätestens seit seinen Tremonti- sings- Senatra- Coverversionen, setzt sich Marc gesanglich auch ein Krönchen auf.

Um 16.20 Uhr wartet ein weiteres Festival Highlight auf mich an der Orbit Stage. Mit Skynd präsentiert sich eine aufstrebende, künstlerisch interessante Industrial Rock Band, die aus der Sängerin „Skynd“ und dem Multiinstrumentalisten „Father“ besteht. Die Band funktioniert mit Ihrer düsteren Ästhetik und Ihrem Look den Sie schaffen im dunkeln noch deutlich besser, aber ich bin dankbar für diese Buchung, denn was gibt es geileres, als aufstrebende Bands auf Festivals zu entdecken! Die Inszenierung ist wirklich perfekt – auch wenn mir der Hintergrund vom Genre der True- Crime- Music suspekt bleibt: Songs die auf beunruhigenden Todesfällen und Morden basieren.

Den Sprung auf die große Bühne schaffen in diesem Jahr hingegen Shinedown und das wohlverdient.

Shinedown bei Regen, einfach mein Humor. Ändert aber nichts an der super starken Performance von Sänger Brent, welcher das Publikum in der Hand hat.

Auch bei Ihrem diesjährigen Auftritt dürfen die großen Songs wie Cut The Cord, Devil, Bully oder Second Chance nicht fehlen.

Interessanterweise fielen als einzige Band mit einer „ungewöhnlichen“ Setlist bisher nur Placebo auf, welche sehr viele Hits und Singleauskopplungen in Ihrem Set ausließen.

Der Regen hat aufgehört, der Himmel ist gnädig passend zu Bullet For My Valentine. Unglaublich viele Menschen strömen zur Utopia Stage, um der walisischen Band zu lauschen. Ich tümmel mich ganz vorne rein und genieße die Freude der Menschen vor, in und neben der Pit. Diese glücklichen Gesichter sind ansteckend und animieren zum Mitsingen und mitpogen.

Schon 2005, damals noch auf der Talentstage nachts um gefühlt 2 Uhr, war ich bei dieser Band, habe alle Auftritte von Ihnen am Ring gesehen und weiß daher, dass der Sound nicht immer gut zu BFMV und den Besuchern war. heute allerdings kommt die Band mit einer Wucht daher, sodass Your Betrayal als Opener jedem die Schuhe auszieht. Waking The Demon, Knives, The Last Fight, You Want a Battle? oder die Klassiker 4 Words und Scream Aim Fire verwandlen das Publikum in Circle und Moshpit Maschinerien. Das wird schwer zu toppen sein und so ist es auch.

KoRn haben es im Anschluss etwas schwerer die Fans zum Bewegen zu bringen, allerdings sind die Songs auch einfach träger, tiefer und mit mehr Breakdowns versehen. Der Anfang könnte mit Falling Away From me, Got The Life und Here To Stay nicht stärker sein, fällt dann in ein etwas gediegeneres Songgefüge aus Start The Healing und Cold ,um am Ende des Sets mit Freak On A Leash, Twist, A.D.I.D.A.S. und Blind alle zum Ausrasten zu bekommen.

KoRn liefern immer wieder ab, wenn Sie am Ring spielen, genau so wie die Beatsteaks aus Berlin, welche um 21.20 Uhr die Mandora Stage übernehmen.

Was braucht es groß zu sagen zu dieser Band?! Sie funktioniert immer, kommt gut an, überträgt Ihre Spielfreude aufs Publikum – es gibt kaum eine bessere Festivalband als diese Truppe. Wird Zeit, dass Sie den nächstes Schritt gehen und mit Ihren kommenden Alben das Niveau steigern, sodass man die Beatsteaks auch mal als Headliner sieht.

Denn der Sonntagsheadliner wird in der Fanwelt geliebt oder gehasst, aber auf jeden Fall muss man anerkennen, dass man am Ende doch einige Songs kennt oder sogar mitsingen kann. Mit Volbeat hat man in den vergangenen Jahren eine Band zum Headliner etabliert, die den ganz großen Rock verkörpert.

Sad Man’s Tongue, Fallen, Shotgun Blues, Doc Holliday oder Still Counting dürften bei jedem von uns in der Rockrotation gelaufen sein und fehlen deshalb auch nicht in der Setlist. Allerdings erkennt man von der Boxengasse auch deutlich, dass die Band schon mal mehr Publikum zog.

Noch drastischer wird dieser Unterschied deutlich, als ich mich zu Billy Talent bewege. Ich komme kaum klar, wie voll es vor der zweiten Bühne, der Mandora Stage ist und frage mich, ob man dieses Potential unterschätzt hat? Natürlich möchte man die Leute von der Hauptbühne zu den Ausgängen locken, damit der Abbau und das große Aufräumen auf der Boxengasse stattfinden kann. Spätestens als Sänger Benjamin die Leute auffordert, einen Schritt nach hinten zu gehen, wird einem aber der vorherrschende Druck in der Menge im vorderen Bereich bewusst. Hoffentlich geht das gut, denn die Band, die meiner Meinung nach RaR 2015 rettete, hat keine Schlaflieder dabei. Ich bin begeistert wie viele Hits diese Band mittlerweile schon geschrieben und rausgebracht hat und denke auch hier, dass der Weg Richtung Headliner auf der Utopia Stage nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Ein wirklich würdiger Abschluss für Rock am Ring 2022 am Nürburgring unter neuer Veranstaltungsflagge. Ich kann mir vorstellen, dass es ein absoluter Stresstest für DreamHaus war, zumal man als Primus der Festivalbranche nach zwei Jahren Pause alle medialen Augen auf sich hatte.

Die Herausforderung, Rock am Ring nicht wie immer stattfinden zu lassen, sondern Neuerungen direkt mit umzusetzen, zeugt von Mut und dass man an dem Festival langfristig interessiert ist. Viele Sachen sind Rund gelaufen, einige Dinge wie oben beschrieben nicht, wichtige Themen wie Nachhaltigkeit wurden angegangen und werden weiter ausgebaut. Vor Themen wie Diversität und männlich dominiertem Line Up duckt man sich nicht weg, scheut sich aber auch nicht, den Schuldigen korrekterweise richtig zu adressieren.

Die Reise geht weiter, Rock am Ring ist zurück und wird sich stetig und selbstkritisch weiter entwickeln. Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit!

Bis zum nächsten Jahr, wenn der Wettergott verrücktspielt, die Scheiß- Tribüne zum Staatsfeind Nr.1 wird und 90.000 Zuschauer ein unvergessliches Wochenende in der Eifel erleben!

Bis zum nächsten Jahr & rock’n roll und stay hard, euer Tobi!