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Architects live in Düsseldorf (7.1.2023)

2023 startet laut – und wie! Direkt zu Beginn legt das Jahr eine hohe Messlatte für die restliche Live-Saison. Denn die aus 2022 verschobene For Those That Wish To Exist Tour wird endlich nachgeholt. Und neben der Jahreszahl haben sich auch die Support Bands geändert.

Gute zehn Minuten früher starten Sleep Token um 18.50 Uhr das ca. 3h Live-Spektakel. Die britische Band versteckt Ihre Identität hinter Masken und Pseudonymen, welche den Gott Sleep durch Ihre Musik verehren. Nun denn.

Eröffnet wird ihr Set mit dem brandneuen Song Chokehold. Dieser zeigt aber sofort, was für starke Instumentalisten auf der Bühne stehen. Ich bewege mich im vorderen Hallendrittel, wo der Stil der Band (irgenwas zwischen Alternative Rock/ Metal, Metalcore, Ambient) wohlwollend angenommen wird. Tatsächlich sind sogar einige Menschen textsicher. Ihr bisher bekanntester Song Hypnosis findet in der Setlist mittig Platz und zeigt das schier unfassbare Können des Schlagzeugers mit dem Pseudonym II. Das Interesse verliert sich allerdings leicht mit dem vierten Song, einer sehr ruhigen Nummer. Man spürt deutlich, dass das Publikum insgesamt verhaltener wird.

Zwetier Supportact dürfte vielen Architects Fans von der Tour 2014 noch bekannt sein. Die Australier von Northlane heizen vom Fleck weg mächtig ein, die Halle bewegt sich jetzt deutlich mehr. Fünf der neun Songs sind vom aktuellen 2022er Album Obsidian, was die Setlist schwungvoller gestaltet..

Wo Clarity und Plenty noch harter Metalcore mit Djent- Einflüssen sind, präsentiert sich der dritte Song, Echo Chamber, als moderner Metalcore Song mit elektronischen, tanzbaren Elementen, welche zum Springen und Kopfnicken animieren. Der Sound und die Live- Qualität sind heute Abend überragend. Mit dem 2019 erschienenen Album Alien leutete die Band Ihre elektronischere, Drum’n Bass Zeit ein, sodass Song vier des Abends, 4D, durch den tragenden Beat aus dem Set herausragt. Neben der Geschwindigkeit und dem Sound, ist es aber vor allem die Stimme von Marcus, die hervorsticht und den Song besonders gut macht. Zum Abschluss gibt es nochmal die volle Breitseite. Denn Talking Heads bringt melodische Elektrohooks, aber eben auch brutal harte Riffs und einen der heftigsten Metalcore Breakdowns der Band. Da kommt im Moshpit direkt Freude auf.

Jetzt heißt es Zeitvertreiben bis zum Hauptact . Ich schaue mir das Publikum mal genauer an. Immernoch stehe weit vorne im Wellenbrecherbereich, umgeben von jungen + 20 Menschen. Vereinzelnd entdeckt man Mittdreißiger oder sogar Ältere, aber insgesamt auffalend divers. Wunderschön und spricht für die musikalische Entwicklung, die Architects über die letzten paar Jahre durchgemacht hat.

Black Lungs eröffnet das 24 Song starke Set der Briten. Unerwartet humpelt Sänger Sam auf die Bühne, ist bemüht seinen Fuß nicht zu belasten. Auch seine Stimme scheint nicht voll da zu sein. Keine schlechte Bilanz, ist heute erst Tag drei der Europa Tour. Es geht hin und her zwischen alten, harten Metalcore Songs wie These Colours Don’t Run und neuen, experimentierfreudigeren Songs wie Tear Gas oder Deep Fake. Letzterer präsentiert dem Publikum wohl den mächtigsten Breakdown, der dieses jahr Live gespielt wird. Einfach ein Traum und eine exzellente Lehrstunde für alle Nachwuchsbands im Metalcorebereich.

Die Band ist sichtlich erfreut über das große Publikum und Sam betont in seinen langen Reden, wie besonders dieser Gig für die Band ist. Noch nie hat man vor einem so großen Publikum außerhalb Londons eine Headlinershow spielen dürfen. Die Mitsubishi Electric Halle ist mit 7.000 verkauften Karten nahe am Ausverkauf. Absolut kommunikativer Frontman, der diese Stärke voll ausspielt. So erfährt man außerdem noch, dass Gitarrist Josh Middelton seit der Generalprobe eine fiese Grippe hat, isoliert von der Band lebt und man sich nur auf der Bühne sieht. Gute Besserung!

Eine weitere lange, emotionale Botschaft richtet er an alle vor dem Song Burn Down My House. Sam erzählt von seinen eigenen psychischen Belastungen, dass man sich nicht alleine fühlen muss und er selbst Hilfe in Anspruch nimmt.

Dann beginnt der Song mit Begleitung einer Akustikgitarre, um im Verlauf mit der gesamten Band gewohnt zu Ende gespielt zu werden. Mich packt diese Kombination aus Rede + Akustikversion + Standardversion total und bildet beinahe mein Highlight des Architects Sets.

Allerdings streiten hier auch noch andere Songs mit. Bei Royal Beggars gibt es den gewohnten Sing-Along Verssuch, den ich von Festivalauftritten der Band kenne. In der Halle kommt dieser hier natürlich deutlich geiler daher. Auch Doomsday bleibt ein abolutes Highlight, als Tribut an den verstorbenen Tom Searle. Klasse Riffs und feinstes Songwriting.

Gebührender Abschluss darf aber der 2021 veröffentlichte Song Animals sein. Zurecht! Das eingängige, stampfende Riff zu Beginn des Songs und die packende Hook des Chorus‘ sprechen für sich. In seiner Dramaturgie steigend und mit kleinen Nuancen, wie der Sirene im Breakdown, der Melodie im Chorus oder der aufheulenden Gitarre, als Steigerung im letzten Chorus, lässt er keinen in der Halle ruhig stehen und hinterlässt ausschließlich glückliche Menschen.

Ein Fest an moderner Musik, dass Kingstar Music hier mit Sleep Token, Northlane und Architects präsentiert hat.