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Rock am Ring 2023

Hello, I’ve waited here for you. Everlong….” 

Der Nürburgring hat ein Jahr auf seine geliebten Ringrocker warten müssen . Nun aber stehen Orbit, Mandora und Utopia Stage an Ort und Stelle, um 70.000 Musikliebhabern die Freude des Jahres bereiten zu können. 

Die Zeit zwischen vergangenen und kommenden Festivalausgaben besteht für jeden Fan immer aus einer Gefühlslage aus Vorfreude, Wehmut, Ungeduld und auch etwas Drama. Denn hat man erstmal sein Hometown Festival gefunden, leidet man mitunter auch mal, wenn andere Festivals Lieblingsbands wegschnappen, Sponsoren wechseln (Biermarken beispielsweise), Logos verändert werden, Headliner auf dem ersten Blick nicht dem persönlichen Geschmack entsprechen oder Bands Absagen.

Rock am Ring 2023 bot im Vorfeld neben der Ausladung Panteras inklusive Statements von keinen geringeren als Die Toten Hosen, auch die kurzfristige Absage 5 Finger Death Punch einiges an Thrill. Für letztere wurde mit Bullet For My Valentine ein absolut hochkarätiger Ersatz gefunden. Insgesamt klotzt das diesjährige Line Up mit exklusiven Headlinern: Foo Fighters, Kings of Leon und die Toten Hosen. Alle drei auf irgendeine Art Exklusiv Buchungen in Deutschland, Mitteleuropa und Europa. Limp Bizkit, Arch Enemy, Carpenter Brut, Architects, Bring Me The Horizon, Papa Roach, Turnstile uvm. runden das Line Up im Mittelfeld gelungen ab.

Nachdem 2022 gerade gefühlt Rock am Ring bezüglich Diversität und Nachhaltigkeit medial stark beäugt wurde, frage ich mich, wie sich RaR 23 im direkten Vergleich schlägt:

Circa 23 von 74 Bands mit Frauenbeteiligung (ca. 32%) und alle zu Recht im Line Up. Denn diese Steigerung um mehr als die Hälfte wäre leicht gemacht, ohne auf die Qualität und das musikalische Niveau zu achten. Doch DreamHaus ist es gelungen, neben bekannten Größen wie Halestorm, Arch Enemy, Jinjer oder Evanescence auch vermeintlich kleinere und noch unbekannte Namen zu buchen. Mit riesen Potential, aber vor allem top Qualität: Brutus, Blond, the Warning, Spiritbox zeigen was da zukünftig Großes auf uns zukommt, wohlgemerkt man diese Bands nicht jährlich wieder buchen kann.

Gleich am Freitag haut die belgische Band Brutus satte Riffs und Sounds im Progrock Post Core Stil raus. Eine einzigartige Band, bei der Gesang und Schlagzeug von Stefanie Mannaerts ausgeführt werden. Mich erinnert Ihr Sound in Weilen an meine Jugend und die Emocore Band From First to Last. Liar oder Victoria kommen auf Platte schon bockstark rüber – Live hatte ich daher meine Erwartungen runtergeschraubt. Zu Unrecht! Direkt zu Setbeginn, knallen Brutus Liar raus. Was ein Brett! Neben mit spreche ich zufällig mit einem Belgier – welcher selbstverständlich seine Landsleute unterstützt und Rock am Ring Wiederholungstäter ist, aufgrund der Vielfältigkeit der vertretenen Genres.

Zeitgleich reißen Fever333 in neuer Besetzung die Hauptbühne ab. Frontmann Jason bringt Rock’n’roll zurück auf die große Bühne. Highlight dabei ganz klar der Spaziergang von der Bühne, durch das Treppenhaus des Mediacenters, um von der Tribüne eine unfassbare Show abzuliefern. Neben einem ultra tighten Micdrop aus luftiger Höhe, klettert er auch noch an der Außenfassade herum, um weiter über die Tribüne spazieren zu können. Was zur Hölle ist das bitte für ein Start ins Festival Wochenende.

Auf der Mandora Stage lässt sich Lyzz Hale gebührend feiern. Unfassbar starke Stimme und ebenso starke Songs. Ich bin heilfroh, dass die Band dieses Jahr auf der mittleren Bühne (Mandora) spielt. Im direkten Vergleich zu 2019, wo Halestorm noch auf die große Hauptbühne (Utopia) gesetzt war, wirkt es, als würde die Band diese Bühne deutlich komfortabler empfinden. Auffällig zu diesem Zeitpunkt: Alle drei genannten Bands bringen direkt zu Beginn Ihrer Spielzeit große, bis die größten Hits der Bandgeschichte. So hört man bei Fever333 zu Beginn Burn It Down und bei Halestorm Miss The Misery und Love Bites. Es heißt fürs Publikum, dass die Messlatte direkt hoch hängt.

Heute mache ich Kilometer, denn erneut Wechsel ich zur Utopia Stage, wo sich keine geringeren als Limp Bizkit die Ehre geben. Es ist unfassbar voll, das Wetter traumhaft und die Stimmung schon vor Setbeginn grandios. Mit dem Intro vom Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavoured Water, katapultiert die Kombo um Fred Durst den Ring ins Jahr 2000 zurück, ehe Sie mit dem Cover Thieves Ihre mittlerweile optisch etwas skurrile Show starten. 

Warum dieser Song immer wieder den Weg in Ihre Setlist findet, erklärt sich mir nicht. Zumal danach mit Hot Dog, der erste Song vom oben genannten Hitalbum aus dem Jahr 2000 folgt. Eher gesagt, hätte folgen sollen. Denn aufgrund technischer Probleme (eine andere US amerikanische Band hat sich auf den 110V Trafo der Band eingeklinkt und somit belegt) unterbricht die Show dann doch länger als erwartet, sodass 1-2 Songs aus dem Set fallen. Auch die sonst gewohnten langgezogenen Breaks und Monologe Fred Dursts fallen dem Zeitverlust zum Opfer. Aber wer jetzt denkt, dass die Unterbrechung ein Stimmungskiller ist, der täuscht. Denn Limp Bizkit liefern eine ihrer besten Rock am Ring Shows ever ab. Das Fred Durst weniger reden kann, tut dem Felling ebenfalls gut. Auch wenn er dennoch Zeit nutzt, um seltsame Anspielungen auf “German Covid” oder bezüglich Trump zu machen, gefällt mir vor allem das Necken mit Dave Grohl und den Foo Fighters. Im Vorfeld wurde in der Fanszene heiß diskutiert, nein sogar der Wunsch geäußert, dass LB, min. Co Headliner, lieber Late Night Special sein sollten. Meine Erfahrung vom Rock Werchter 2009 nach, funktioniert LB sogar im hellen besser und auch am Ring 2023 hat sich das wieder bestätigt. Eine große Überraschung für jeden eingefleischten Limp Bizkit  ist im Übrigen, dass die Band in ihrer Originalbesetzung spielt. Sam Rivers am Bass ist zurück!

Im Anschluss ruht sich ein Teil der Ringrocker zu Rise Against aus. Die Band steht seit Jahren am Ring fest als Co-Headliner im Programm und überzeugt live immer wieder durch einen unfassbar schlechten Sound. In diesem sind Sie sich einfach wirklich treu in all den Jahren, die ich Sie live sehen darf. Auch wenn mir die Songs gefallen und Musiker echt cool rüberkommen, nehme ich meine Beine in die Hand und gönne mir eine Runde Giant Rooks. Alles richtig gemacht. Leider ist Ihr Konzert eher spärlich besucht, was der Performance nicht gerecht wird. Denn Giant Rooks haben einen klasse Sound, bringen Ihre Songs live sehr gut rüber und überzeugen mit einer fröhlichen Spielfreude.   

Um 22.45 Uhr wird ein großer und vor allem exklusiver Moment in 2023 wahr. Die Foo Fighters spielen Ihre einzige Europashow in 2023, nach dem Tod Ihres Drummers in 2022 und das am Tag des neuen Album Releases. Wow. Mit Josh Freese hat die Band einen Drummer der Superlative gefunden, welcher nicht nur super vertraut mit der Band wirkt, alle Songs hervorragend trommelt, aber vor allem eine gewisse starke Attitüde in die Songs bringt. Zu Foo Fighters Konzerten ist vermutlich alles schon erzählt worden. Die Unterschiede zu früher sind allerdings, dass die alberne Art, das fortlaufende Interagieren mit dem Publikum und ausufernde gejamme in Songs ausbleibt, was auch diesem Auftritt sehr gut tut. Unvergesslich wird die Performance mit Grohls Tochter Violette zu dem Song Shame Shame sein, welche einen sichtlich stolzen und gerührten Dave Grohl zeigt. Dave erzählt an dieser Stelle auch, dass er sich mit seiner Tochter die Limp Bizkit Show von der Bühnenseite angeschaut hat, weshalb der Song LB gewidmet ist. Emotional wird es nochmal, als Dave vor dem Song Aurora erklärt, dass dieses der Live- Libelingssong des verstorbenen Schlagzeugers Taylor Hawkins war. Dave als auch mir fällt es sichtlich schwer, die Tränen zu verbergen.

In typischer Ring Manier präsentiert man als ersten Late Night Special des Wochenendes in diesem Jahr einen neuen aufstrebenden Stern. Mit Apache 207 springt man weiterhin auf den Hip Hop Zug auf, welcher sich alle paar Jahre mit dem Elektro Genre abwechselt, je nachdem, was bei der breiten Masse oder Jugend mehr angesagt ist. Ich persönlich freue mich sehr über Apache, werde aber direkt etwas gebremst, als der erste Song, ein Cover von Phil Collins In The Air Tonight gespielt wird. Die ausbleibenden Jubelrufe nach dem Fall des Vorhangs lassen erahnen, dass viele tatsächlich nicht zum Feiern, sondern “Nur mal auch gesehen haben” vor Ort sind. Denn es ist voll! Gefühlt ist das gesamte Publikum zu Songs wie 200 kmh, Kein Problem oder Fühlst du es auch textsicher, wenn auch recht leise. Als Apache den Song Rhythm Is A Dancer bringt, um eine Zigarette zu rauchen, das Publikum lautstark mitfeiert und mitsingt, verfestigt sich meine Meinung. Solider Auftritt, grandiose Stimme, sympathischer Mensch, tolle Bühnenkulisse. Leider ohne Feuer im Publikum zu entfachen, Stimmung zu machen oder Emotionen zu wecken. Dennoch trifft er den aktuellen Zeitgeist wie kein anderer und bringt es selbst auf den Punkt, als er über Handy Filmerei vs. Konzerterlebnis spricht. Ohne diese Bilder und Videos, ohne Social Media

Der zweite Festivaltag startet mit Blond auf der Utopia Stage. Das aktuelle Album Perlen brachte neben dem Auftritt bei Jan Böhmermann reichlich Aufmerksamkeit, sodass sich schon zu 14,30 Uhr eine Menschentraube vor der Stage versammelte. Bühnenkulisse und Band Outfits sind sehr fein aufeinander abgestimmt. Plural deswegen, weil die Sängerinnen mehrere Outfits im Laufe des Sets anhaben, welche durch Tanzeinlagen jeweils sehr amüsant gewechselt werden. Auch Blond bleibt nicht von technischen Problemen aus. So kommt es ,dass einfach sympathisch improvisiert wird, ehe ihr Banger Oberkörperfrei die Leute zum Ausrasten bringt. Die komplette Setlist besteht aus Songs vom neuen Album Perlen – klare Sprache: Ab jetzt nur noch eine Richtung, vorwärts! Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass die Band nicht die große Bühne bespielt, denn der Sound ist noch etwas zart und blass, was sich mit Routine und weiteren Alben auch live ändern wird.

Im Anschluss spielen keine geringeren als Nothing But Thieves. Eine wundervolle britische Band, die es seit Jahren schafft, einen eigenen Rock-Sound zu kreieren, der radiotauglich, aber auch für Britrock Verfechter etwas ist. Schon 2018 verzauberte Connor mit seiner eigenwilligen, lieblichen Art, vor allem aber durch seine unverkennbare Stimme das Publikum. Mit dabei die neuen Songs Welcome To The DCC und Overcome, welche sich sehr gut ins restliche Set rund um If I Was A Kid oder Forever & Ever More einfügen.

Incubus hingegen quält sich eher durch Ihren Auftritt. Auch wenn die Songs teilweise zeitlos sind, ist die neue Generation Ringrocker nicht textsicher. Lediglich große Hits wie Drive mit Arm in Arm Moment oder das fantastische Wish You Were Here verzaubern die Crowd. Der anfänglich sehr chaotische Sound wird von Minute zu Minute besser abgestimmt, sodass ein tolles Gefühl in Erinnerung bleibt.

Spontan bleibe ich an der Utopia Stage und lasse mich von einem Künstler überraschen, mit dem ich mich im Vorfeld nicht auseinandergesetzt habe. Provinz packt mich live total. Eigentlich nicht meine musikalische Baustelle, aber eines meiner Highlights 2023, als der Song Hymne gegen euch gespielt wird.

Ein gern gesehener Gast am Nürburgring sind Tenacious D. Jack Back und Kyle Gass kennen die Bühne sehr gut, spielen Sie bereits zum dritten Mal in der Eifel. Obwohl ich im Vorfeld die Band nicht auf meiner Must- See- Liste hatte, nehme ich ein Auge voll und werde dann doch wieder in Ihren Bann gezogen. Neben der wirklich super guten musikalischen Darbietung, ist der Unterhaltungsfaktor einfach nicht zu entkommen. Spätestens als Amy Lee von Evanescence mit Tenacious D einen Gastauftritt hat, kann man nicht anders, als zur Bühne schauen.

Dennoch geht der muntere Bühnenwechsel für mich weiter. Eine weitere Band aus meiner Nu- Metal Jugend gibt sich die Ehre: Papa Roach. Es scheint, als blüht die Band um Jacoby Shaddix nochmal richtig auf. Die Band hat es geschafft, nicht nur von Ihren Nu Metal Hits zu leben, wie andere Kollegen am Tag vorher. Dabei ist ein Highlight klar das Infest- Medley, welches mir als 1987er Kind ein riesen Lächeln ins Gesicht zaubert. Auch die neueren Songs Kill the Noise oder Born For Greatness ist dem Publikum bekannt und kommt gut an. Unvergessen wird der Moment bleiben, als die Menge einen Rollstuhlfahrer Crowd Surfen lässt. Unfassbar viel Liebe der Ringrocker, dem Surfenden als auch dem Publikum so einen tollen, bemerkenswerten Moment der Zusammengehörigkeit zu schenken.

Eine fette Party feiert ab 21.30 Uhr K.I.Z. als Co- Headliner auf der Utopia Stage. Diese Energie muss man erleben. Satirische, kontroverse Texte hin oder her. Aber ein Abriss, wie ich ihn selten am Ring erleben durfte. Hier wird auch der Unterschied zu Apache am Vorabend deutlich. Klar, K.I.Z. haben Ring Erfahrung im Blut, Ihre Beats sind feierbarer. Dennoch sind es Songs wie Hurra die Welt geht unter, bei dem das gesamte Publikum voller Inbrunst mitsingt, die den Springen Punkt machen. Keine Ahnung wie da der Headliner des Abends noch mithalten will, zumal Kings Of Leon ein ganz anderen Vibe vermitteln und Menschen ansprechen. Die Caleb Geschwister sind wiederholt Headliner, man könnte Sie als typische Ring Band bezeichnen. Wäre da nicht eine gewisse Veränderung im Publikum zu spüren. Alles etwas jünger und musikalisch nicht auf dem gleichen Pfad, wie Kings Of Leon, was am wirklich spärlich besuchten hinteren Bereich vor der Utopia Stage deutlich wird. Was allerdings für die Ohren geboten wird, ist einmalig. Nicht nur stark gespielte Songs, sondern auch der mit am besten abgestimmte Sound des Wochenendes. Respekt für diese Professionalität. Das Bühnenbild ist gewohnt leicht und ohne großen Schnickschnack – einfach eine Band, die sich auf die Musik reduziert, ohne große Interaktionen und ausschweifendes Gerede zwischen den Songs. Hier kann man sich einfach Treiben lassen.

Letzter Festivaltag und auch heute gehts für mich um 14.30 Uhr los. Denn The Warning aus Mexiko spielen als erster Act auf der Orbit Stage. Drei Schwestern gesegnet mit musikalischen Talent und einer umwerfenden Bühnenausstrahlung. In Weilen erinnert der Gesang von Daniela an Lyzz Hale von Halestorm. Dennoch schafft es The Warning Songs zu schreiben, die Sie direkt erkennen lassen. Neben dem grandiosen Metallica Cover Enter Sandman, überzeugt der Song Money. Lediglich die jüngste Schwester Alejandra am Bass übertreibt an einigen Stellen mit ihrem Posing, welches zu künstlich daher kommt. Trotzdem ein klarer Tipp für die Zukunft, diese Band auf dem Schirm zu haben, Sum41 schaffen es, dass um 15 Uhr einfach tausende Ringrocker zum Beginn Ihrer Abschiedstour vor die Utopia Stage pilgern. Die Band hat ihren Abschied bekannt gegeben und spielt noch eine letzte Tour, was viele dazu bewegt hat, sich Songs wie Into Deep oder Fat Lip ein letztes Mal live mitzuerleben. Auch Three Days Grace locken viele Menschen bereits früh ins Infield. Überraschend der Gastauftritt von Daniele Villareal von The Warning, welche den Songs Painkiller mit der Band zum Besten gibt. Sie ist sichtlich beeindruckt, spielte Sie eben mit ihrer eigenen Band auf der kleinsten Bühne vor wenigen hundert Menschen, steht Sie jetzt auf einer fast doppelt so großen Bühne, vor allem vor tausenden von Menschen.

Schon 2022 war meine Begeisterung für Spiritbox groß. Doch die songliche Weiterentwicklung trifft voll und ganz meinen Geschmack. Ich freue mich für die Band, dass Sie es auf die Madora Stage geschafft haben und wirklich viele Menschen vor die Bühne locken. Speziell, aber durchweg zeitgemäß, so würde ich den Stil dieser Band beschreiben. Djent, Metalcore, aber eben auch ruhigere Passagen und vor allem Courtneys cleaner Gesang, bringen eine ganz spezielle Wechselwirkung hervor. In diesem Jahr performt die Band einige neue Songs. Neben The Void und Rotoscope, endet das Set mit dem sehr starken Song Hysteria, der es 2022 in unsere Jahrescharts geschafft hat.

Mein Wochenend Highlight betritt mit fast 10 minütiger Verspätung um 18.30 Uhr die Hauptbühne. Letztes. Jahr noch kurzfristig krankheitsbedingt abgesagt, erlebt der Ring die grandiosen Turnstile aus Baltimore. Längst kein Geheimtipp mehr, dennoch nicht wirklich voll, spielt die Band ein solides Set. Die Band ist bekannt für kurze power Songs, ohne großes Geschwafel zwischen den Songs. Was mit im Pit allerdings auffällt ist, dass alle sehr textsicher sind und lautstark mitsingen. Dominiert wird die Setlist von Songs der aktuellen Platte Glow On. Leider beendet die Band Ihre Spielzeit früher als angegeben. Mit der Verspätung zusammen hätte man locker noch zwei bis drei Songs machen können. FÜr mich war es nach dem Auftritt 2022 beim Vainstream das zweite mal Turnstile Live, zum ersten mal aber mit der neuen Gitarristin Meg Mills, welche sich perfekt in die Band einfügt und einfach zum Gesamtstil von Turnstile wie Arsch auf Eimer passt!

Wieder trennen sich die Wege von mir und meiner Begleitung, denn ich mache mich zu den mächtigen Architects auf. Eine Band, die die hard-radioshow seit Jahren begleitet, durch Höhen und Tiefen und mit allen musikalischen Veränderungen. Auch hier gibt es eine Neubesetzung, denn Tom an der Gitarre hat kurz vor Rock am Ring die Band verlassen. Die Band hat Ihren Sound gefunden, ganz klar zu Lasten der älteren, härteren Metalcore Songs. Insgesamt kommt die neue Ausrichtung, mit stampfenden und leichteren Riffs bei der breiten Masse besser an. Auch mich fangen Breakdowns wie bei Deep Fake oder Impermanence ein. Auch der Gamechanger der Band – Animals – begeistert jedes mal live aufs Neue. Dennoch merke ich, dass die Band in den vergangenen Wochen den Opener für Metallica bei Ihrer Stadiontournee gegeben hat. Denn die Ansagen von Sam, als auch die gesamte Attitüde erinnern an Stadion Rockstars – mir etwas zu abgehoben und oberflächlich. Vielleicht bin ich aber auch Nostalgiker, erinnere ich mich an Auftritte der Band im Zelt 2015 nachts um 2 Uhr oder 2019 an Ihren Auftritt auf der mittleren Bühne während Ihre Holy Hell Zeit.

Währenddessen bringt Machine Gun Kelly an der Hauptbühne den Rock’n’roll zurück an den Ring. Ein neuer Mega-Star, der seinen Weg gehen wird, das Publikum begeistert und in kürzester Zeit viel Aufmerksamkeit erreicht hat. Magischer Moment, als er auf eine Traverse im Publikum klettert, um von dort einen Song zu performen.

Als Co-Headliner hat er eine super Show geliefert und den Weg für den letzten großen Act auf der Utopia Stage geebnet. Die Toten Hosen sind zurück in ihrem Wohnzimmer. Auch wenn man keine Lust hat, die Toten Hosen schon wieder zu sehen, packt es einen spätestens beim zweiten Song Auswärtsspiel oder Altes Fieber. Insgesamt 28 Songs – so viele wie keine andere Band bei RaR 2023 spielt, haut die Kombo um Campino raus. Bei Pushed Again natürlich mit inszenierter Bengalo Show im Publikum. Alles schon mal erlebt und gesehen – dennoch reißen zeitlose Songs wie Wünsch dir was, Alles aus Liebe oder Tage wie Diese jeden mit.

Ich befinde mich derzeit wieder an der mittleren Bühne, denn ein Wiederholungstäter ist für die kurzfristig ausgefallene Band 5 Finger Death Punsh eingesprungen. Bullet For My Valentine bringen also ihren mächtigen Metalcore Sound zurück an den Nürburgring und wieder bekomme ich den Eindruck, dass die mittlere Bühne dieses Jahr fast ausnahmslos die bessere Wahl für Bands ist. Vielleicht liegt es am abschüssigen Gelände, vielleicht an der Stellung der untergehenden Sonne oder einfach an der Bühnengröße. BFMV sind auf jeden Fall absolut in Übung, spielten SIe vorher andere große Bühnen. Ich bin Fan. Die Songs passen perfekt zum Festival – perfekt an diese Rennstrecke. Zudem ist es im dunklen ebenfalls nochmal ein Unterschied zu 2023. Lediglich der Wind trägt während der Songpausen den Sound der kleinsten Bühne herüber, zu meinem Glück. Denn so sehe ich das Set von Carpenter Brut. Ich kann den Sound überhaupt nicht beschreiben. Eine Art The Prodigy, nur derber und ohne Gesang. Darksynth. Metal. Elektro. Zusammen mit einer genialen Lichtshow, bin ich unfassbar dankbar, diese Band nicht verpasst zu haben. Rausschmeißer Songs ist ein gewaltiges Cover des 1983 veröffentlichten Songs Maniac. Absolute Empfehlung unserer Redaktion!

Ein letztes Aufbäumen steht noch bevor. Keine Müdigkeit vortäuschen, denn Bring Me The Horizon schließt das Festival ab 0.00 Uhr bis 1.30 Uhr ab. Mit einer neuen Bühnenproduktion für die Festivalsaison, einer einzigartigen Lichtshow und anderen Visuals, hinterlässt mich die Band sprachlos. Ihr Sound ist fett und mächtig, abwechslungsreich und macht ausschließlich Laune. Mir fällt auf, wie viele starke Songs die Band mittlerweile in Petto hat, wie facettenreich Sie ist. Highlight neben der unglaublichen Lasershow zu Kingslayer aber ist der Auftritt mit Courtney LaPlante von Spiritbox zu dem Song Nihilist Blues. Einziger Wermutstropfen ist immer noch der nervige Wind, sodass sogar während Kingslayer Thees Uhlmann von der Orbit Stage zu hören ist. Nervig aber nun.

Besser hätte ein Festival Wochenende nicht sein können. Ich bin mir sogar nicht sicher, ob es nicht mit das beste meiner Festival Laufbahn war, Denn neben dem durchgehend schönen Wetter, dem nicht überlaufenden Andrang, war der Timetable super ausgewogen, abwechslungsreich, mutig und ohne schmerzlichen Überschneidungen (Ausnahme Blond vs. Bury Tomorrow). Auffällig war 2023 die Anzahl an gegenseitigen Gastauftritten, besonders am Sonntag.

Violet )Tochter von Dave Grohl) bei den Foo Fighters, Amy Lee (Evanescence) bei Tenacious D, Jacoby Shaddix (Papa Roach) bei Evanescence, Hollywood Undead bei Papa Roach, Daniela (The Warning) bei Three Days Grace, Sam (Architects) bei Spiritbox, Courtney (Spiritbox) bei Bring Me The Horizon und bestimmt sind mir noch welche entgangen.

Die Auswahl an Acts in Bezug auf Diversität wurde noch weiter vorangetrieben, auf höchstem Niveau. Hier würde ich es für die kommende Saison aber nicht als Rückschritt empfinden, sollte die Zahl rückläufig sein, denn man kann eben nicht jährlich gleiche Bands bringen, sollten sich nicht gute, zeitig neu etablieren. Gleiches trifft auf die Auswahl an Headlinern zu, eine Handvoll großer Namen, die sich jährlich die Klinke in die Hand Geben, werden irgendwann durch andere Namen ersetzt werden müssen. Die Zeit der riesigen Rockbands, die Nachkommen, scheint etwas vorbei, folglich werden Bands wie Imagine Dragons, MGK, Parkway Drive oder BMTH nachkommen und stetig wachsen. Spannend also, wie sich das Festival Line Up von Rock am Ring entwickeln wird. Auch was Ticketverkäufe angeht, wird sich zeigen, ob die Zeit der Superlative vorbei ist und man dementsprechend andere Einnahmequellen (VIP; Experience usw) ausbaut oder ob man mit einem neuen Line Up, andere Zielgruppen erschließen kann. Offen sind die eingefleischten Ringrocker auf jeden Fall!

Insgesamt scheint die Vielfalt der Essensstände oder auch die Gestaltung des Food Courts in 2023 etwas weniger ansprechend, als im Vorjahr.Eventuell wurde hier einfach alles den Kartenvorverkäufen angepasst oder mein Gefühl täuscht mich. Auch die überfüllten, wenigen Mülltonne fielen mir dieses Jahr erneut ins Auge. Das Festival ist aber von der deutschen Umweltstiftung ausgezeichnet worden und nimmt eine Vorreiterrolle ein. Natürlich wird hier eher auf die Ökobilanz geschaut in Bezug auf Logistik und Strom vor Ort, dennoch ist das Thema Müllwirtschaft ebenfalls nicht zu vernachlässigen.

Herausragend empfand ich die Sichtbarkeit von Awareness- Teams, die ich mehrfach selbst wahrgenommen habe. Klasse Zeichen gegen Diskriminierung und sexuellen Übergriffen oder Gewalt.

Bis zum nächsten Jahr, wenn der Wettergott verrücktspielt, die Scheiß- Tribüne zum Staatsfeind Nr.1 wird und vielleicht wieder 90.000 Zuschauer ein unvergessliches Wochenende in der Eifel erleben!

Bis zum nächsten Jahr & rock’n roll und stay hard, euer Tobi!