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Rock am Ring 2017

“Everybody’s going to the party, have a real good time! “

Rock am Ring 2017, ein ausverkauftes Haus in letzter Minute, die Rückkehr an die altbekannte, von vielen so geliebte und zeitgleich verteufelte Spielstätte – den legendären Nürburgring, sowie gute Wettervorhersagen.

Optimale Voraussetzungen für eine tolle Party, einer richtig guten Zeit, die nach den vergangenen zwei Jahren, mit starken Wetterkapriolen bis hin zum Festivalabbruch, bitter nötig sind.

Und doch schreibt die 2017er Ausgabe erneut auf einem Nebenschauplatz Geschichte.

Denn auch dieses Jahr wird ein sehnsüchtig erwarteter Headliner seine Gitarren nicht benutzen und unverrichteter Dinge abreisen. Nicht aus Eigenverschulden – sondern aufgrund einer terroristischen Gefährdungslage, an die am Freitagmittag noch nicht zu denken ist.

Die Band aus Großbritannien hat sich in den letzten Jahre durch erfolgreiche Alben, aber auch sensationelle Live Auftritte einen Namen in der Szene gemacht. Ich bin beeindruckt, wie viele Ringrocker heiß auf den Auftritt sind und freue mich über den Zuspruch für die Band, welche mit ihrem jüngsten Album The Volume, zu alten Wurzeln zurückgekehrt ist.

Es steht außer Frage, dass Skindred einer der besten Live Acts unserer Zeit sind, was Druck, Performance, Zugkraft und Qualität betrifft.

Es bleibt kaum Zeit durchzuatmen, denn nur wenige Minuten später geht es vom Distortion- Faktor nochmal stärker zur Sache. Eine äußerst ungewöhnliche Zeit für In Flames, aber die Jungs um Sänger Anders funktionieren auch zum Nachmittag sehr gut. Zum Einen reißen sie ebenfalls die Bühne ab, zum Anderen komme ich nicht aus dem Staunen, wie voll der Platz vor der Ex-Centerstage, der Volcano Stage ist.

Leeches, Deliver Us, The Truth, Only For The Week – ein starkes Set, dass Rock am Ring 2017 geboten wird.

Wir kundschaften derweil erst mal das Ringgelände aus, das einige gute Ideen aus Mendig mitgenommen hat. Neben dem Luna Park (Kirmes) gibt es auch wieder den Food Court, der mir von den kulinarischen Köstlichkeiten schon in der Vergangenheit sehr gut gefallen hat.

Doch dann erklingt schon Five Finger Death Punch mit Lift Me Up. Einen besseren Setlist Opener kann die Band seit Jahren nicht finden, zu Recht wie ich finde.

Schön zu sehen, dass die Band an ihren Live Auftritten gearbeitet hat, denn vergangenes Jahr war die Spielfreude und Bühnenausstrahlung klasse, beim Sound gab es jedoch deutliche Probleme (Reload 2016), von denen heute nichts mehr zu hören ist.

Never Enough, Bad Company, Wrong Side Of Heaven, Under & Over it, sowie The Bleeding zum Schluss, lassen kein T-shirt trocken.

Emotional geht es weiter, als Veranstalter Marek Lieberberg mit einem Fan auf die Bühne kommt, der letztes Jahr von Blitzschlag geschädigt wurde und nun Worte ans Ringpublikum richtet.

Rock On lautet die Devise.

Doch leider soll es das schon für den Freitag bei Rock am Ring gewesen sein.

Wenige Minuten nachdem die Broilers ihr Set beginnen tritt Marek Lieberberg auf die Bühne mit einer Bitte, friedlich und gesittet zu den Campingplätzen zurückzukehren, da es auf Grund einer terroristischen Gefährdungslage, zum vorzeitigen Abbruch bzw. zur Unterbrechung des Festivals kommt.

Eine hochbrisante Information, die wir nun alle zu verarbeiten haben – gerade nach den jüngsten Anschlägen in Manchester beim Ariana Grande Konzert.

Doch anstatt in Hysterie und Panik zu geraten, klappt die Evakuierung in ca. 15 Minuten – gesittet und friedfertig unter Gesängen zu  „You Never Walk Alone“.

Welch bitterer Stunde für Rock am Ring, für die Festivalkultur und alle Menschen, die Freiheit und Toleranz leben und lieben, sollte sich der Verdachtsmoment erhärten.

Veranstalter Marek Lieberberg teilt um ca. 22 Uhr in einer Pressekonferenz die genaue Sachlage und das weitere Vorgehen mit – RAMMSTEIN werden heute nicht mehr auftreten. Natürlich bleibt auch ihm die fantastische Reaktion des Publikums nicht unbemerkt, welches eine beispielhafte Evakuierung anstandslos umgesetzt hat. An dieser Stelle muss auch ich meinen Respekt für diesen einzigartigen Umgang mit der Situation zu Wort bringen und ich wünschte, dass es in der Vergangenheit doch auch schon so gut bei anderen Veranstaltungen geklappt hätte.

Samstagmorgen wird es gegen 11 Uhr erneut ein Update zur Lage und dem weiteren Verlauf des Festivals geben.

Aufatmen – denn Rock am Ring 2017 wird weiter gehen. Die Gefährdungslage hat sich entspannt, sodass die Polizei das Festival wieder freigeben kann. Mit Hochdruck arbeitet das Team unter Andre Lieberberg daran, Künstler die freitags ausgefallen sind, heute oder Sonntag nachzuholen.

Genau das richtige Stichwort, denn ich hole jetzt auch etwas nach – ganz viel Musik!

Mit SHVPES und As Lions stehen gleich zwei Bands nacheinander auf der Alternastage, in denen vielversprechendes Musikerblut fließt.

Wenn man aus dem Hause Dickinson stammt, bleibt einem wohl nur der Griff zum Mikrofon.

So steht jeweils ein Jüngling des Iron Maiden Frontmans Bruce Dickinson nacheinander auf der Bühne.

Mit ihrem eindrucksvollen und erfrischenden Metalcore, wissen SHVPES zu gefallen, auch wenn es noch nicht zahlreiche Ringrocker ans Festivalgelände geschafft haben.

Nicht ohne Grund pusht das Kerrang Magazine die Band als The New Kings of the UK Metal Scene!

Anspieltipps: Fales Teeth, Skin & Bones und Shapes.

As Lions hingegen versuchen sich mehr am klassischen Alternative Metal, mit klaren Strukturen, Riffs und Gesang.

Von der Performance hat Austin jede Menge Charisma von Papa Bruce in die Wiege gelegt bekommen. Es ist schon fast zum Schmunzeln, wie ähnlich die Bewegungsabläufe und Laufwege der Beiden sind.

Auch hier ist das Ringpublikum eher dünn besetzt, aber textsicher. White Flags, Deathless oder World On Fire werden gut mitgesungen.

Im Anschluss füllt sich die Menge vor der Bühne beachtlich. Vielleicht half der Support Slot bei KISS dem Bekanntheitsgrad von Raveneye, zumindest mögen die Ringrocker britischen Power Rock mit unfassbar guten Jam- Einlagen und einem Bassist, der tolle Jazzelemente einbringt.

Die Band hat sichtlich Spaß und rockt, als würden sie sich im Proberaum befinden. Losgelöst und mit verdammt gutem Sound.

Genau solche Entdeckungen braucht ein Festival. Denn die Band gibt eine richtig gute Visitenkarte beim Publikum ab und wird den ein oder anderen neuen Fan gewonnen haben.

Auch der Veranstalter hat sich ordentlich ins Zeug gelegt und mit den Broilers heute sowie Materia am Sonntag zwei Nachholkonzerte für die ausgefallen Slots am Freitag auf die Beine gestellt. Keine leichte Aufgabe, da zeitgleich das Zwillingsfestival Rock im Park nicht beeinträchtigt werden darf.

Um 20:50 Uhr kehren dann fünf Berliner Jungs in ihr Wohnzimmer zurück, wo sie vor einigen Jahren noch die größte Verlobungsfeier Deutschlands gefeiert haben.

Und auch heute verlieben sich Publikum und Beatsteaks erneut. Eine Setlist mit Hits wie Let Me In, Automatic, Jane Became Insane, Hello Joe, Cut of the Top, Hand In Hand aber auch einen neuen Song mit Jamie T namens Hate To Love hilft auf dem Weg zu einer ganz ganz großen Liebe.

Absolutes Highlight ist für mich das Cover von Motörheads Ace Of Spades, denn jedes Mal wenn die Beatsteaks am Ring spielten, waren Lemmy & Co auch mit dabei. Kein Halten mehr und freudestrahlende Gesichter wohin man schaut.

Nach einer kleinen Erfrischung statten wir den Hip Hop Veteranen von den Beginnern einen Besuch ab. Alte Jugenzeiten leben auf und gleich zu Beginn legen sie die Messlatte mit ihrem aktuell erfolgreichen Song Ahnma, gefolgt von Hammerhart und Schelle ganz hoch.

Für uns ein kleiner Exkurs in die Rap Welt – das Publikum hat deutlich mehr Bock auf Hip Hop als wir.

Mit den Toten Hosen spielt jetzt der erste Headliner des Festivals, also ab zur Volcano Stage!

Mit Laune der Natur hat die Band aktuell ihr 16. Studioalbum raus gebracht.

Urknall ist Opner der Platte sowie Show – wow, was eine Wucht und es wird nicht weniger!

Auswärtsspiel, Bonnie & Clyde, Altes Fieber, Pushed Again, Alles aus Liebe, Wünsch dir was, und und und…eine gigantische Setlist. Eine Band, die nach den Nachrichten vom Freitag 110% gibt und überzeugen kann.

Wie jedes Jahr gibt es auch 2017 diesen einen Gänsehaut Moment – zur Überraschung tatsächlich bei den Toten Hosen. Denn ihre aktuelle Single- Auskoppelung Unter den Wolken fetzt alles weg. Ein Refrain, der mit einem solch starken Ethos vom gesamten Publikum mitgesungen wird – unbezahlbar in mitten der mitgrölenden Fans zu stehen. Ich bin durchnässt, ausgepowert und heiser – aber glücklich! Das hat jeder gebraucht, um die schweren Gedanken vom Vortag los zu werden!

Sonntag beginnt für mich mit der Rock Nachwuchshoffnung des Jahres. Kaiser Franz Josef aus Wien. Drei sympathisch wirkende Musiker, die Rock wieder groß machen möchten.

Ihr kommendes Album Make Rock Great Again scheint vielversprechend. Zumindest die ersten Songs Disguise und Believe machen mächtig Laune auf mehr.

Durch den Nachholgig von Materia und anderen Verschiebungen, spielt die Band auf der Hauptbühne, wo sie etwas verloren wirken.

Leider sind meine Erwartungen wohl zu hoch oder die Band hat einen schlechten Tag, denn der große Aha Effekt bleibt aus. Auf Platte klingen die Songs druckvoller und mächtiger, was allerdings auch den schwierigen Windverhältnissen und damit einhergehenden schlechten Sound geschuldet sein kann.

Leider ist um ca. 16 Uhr immer noch wenig los und auch der Sound hat sich für Gojira aus Frankreich nicht zum Positiven entwickelt. Es ist erstaunlich wie unterschiedlich das deutsche Publikum zu den Nachbarländern ist. Anderswo ist bei Gojira gefühlt jeder Mann vor Ort, 2017 bei Rock am Ring sieht das Bild leider anders aus, was die Qualität der Band aber nicht schmälert.

Um 17 Uhr lauschen wir den Worten der Veranstalter bei der diesjährigen offiziellen Pressekonferenz. Alles in allem ist Rock am Ring 2017 friedlicher im Vergleich, es gab keine weiteren außergewöhnlichen Vorfälle. Das Line Up war eine Herausforderung, da der Standortwechsel viel Zeit und Kraft gekostet hat und ist auf Grund verfügbarer Bands nationaler als sonst ausgerichtet.

Für 2018 versucht man mit RAMMSTEIN zu sprechen, Andre Lieberberg betont, dass es ihm ein Wunsch sei, die Band an den Ring zu holen. Andere spektakuläre Bestätigungen können aber noch nicht gemacht werden. Rock am Ring 2018 findet vom 1. – 3. Juni statt.

Im Anschluss muss ich mich beeilen, denn ich versuche noch einen Atemzug von Feine Sahne Fischfilet zu inhalieren, was mir mit Komplett im Arsch und Weit Hinaus auch gelingt. Geile Stimmung, die Band trifft den Geschmack des Publikums und feiert eine wilde Party inkl. Schnaps for free.

Anschließend gehe ich zur Volcano Stage zurück, wo der Gitarrist von Airbourne gewohnt lässig am Bühnendach hängt, um eine Kostprobe seines Mutes und Talents zu geben.
Grandiose Festivalband, mit Spaß und Songs die Dampf haben!

Alter Bridge hingegen können sogar noch eine Schippe drauflegen, auch wenn die Band irgendwie angespannt und ernst wirkt. Vielleicht sind es die Nachwehen vom Freitag, die Myles & Co etwas steif wirken lassen. Qualitativ zeigt die Band allerdings wie gut sie ist und, dass man musikalisch auch abseits des Mainstreams erfolgreich sein kann.

Trotzdem will der Funke nicht überspringen, vielleicht liegt es auch an den schwierigen Soundverhältnissen direkt vor der Bühne. Denn zeitweise hört man nur Schlagzeug und Gesang.

Kurz darauf wartet das Highlight des Festivals auf sich – Prophets of Rage. Eine Kolaboartion zwischen den Musikern von Rage Againbst The Machine und den Rappern Cypriss Hill und Chuck D von Public Enemy. Die beiden Rapbands spielten eine große Rolle in der Geschichte von Rage Against the Machine, die ihr erstes Konzert im Vorprogramm von Public Enemy spielten und 1994 gemeinsam mit Cypriss Hill auf Amerikatournee gingen. Der Bandname stammt von einem Public-Enemy-Lied von dem Album It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back. Hinter dem Projekt steht laut Tom Morello die Idee, dass in der vom ihm als „kritisch“ bezeichneten gegenwärtigen Zeit die Musik der Stammbands „dreimal so laut gehört werden sollte wie sonst“

Und was soll ich sagen: Hammer Stimmung, Hammer Coversongs aller Bands. Persönlich wäre mir Zac de la Roche am Mikrofon lieber, da mir die Performance von Chuck D und Mr. Hill zu wenig ist. Allerdings stehe ich mit meiner Meinung fast alleine da, denn die Leute feiern ihren Auftritt noch nach dem letzen Song, Killing In The Name, frenetisch weiter.

Leider ist damit auch schon die Zeit für den Sonntagsheadliner System Of A Down gekommen, der das Festival auf der Volcano Stage abschließen wird.

Ich bin gespannt, ob die Band vielleicht neue Songs in Petto hat oder mit ihren Krachern überzeugen wird?

31 Songs reißt die Band ab, fast ohne Pause. Kaum Zeit zum Atmen, kaum Zeit die Begeisterung einen Moment zu genießen, denn ein Hit jagt den anderen.

Die anfänglichen Probleme mit Serj‘s In Ear Monitoring scheinen während des Gigs in den Griff bekommen worden zu sein. Auch wenn er nie der große Entertainer oder Performer ist, sieht es so aus, als würde ihm der Tod eines Freundes wenige Tage vor dem Auftritt noch sehr nahe gehen.

Lediglich Shavo am Bass interagiert mit dem Publikum. Ein Versuch Darons, eine Widmung an Sebastian Vettel vor dem Song Cigaro, geht leider völlig daneben, zu seinem Erstaunen.

Entweder, weil keiner Sebastian Vettel kennt oder aber weil es niemand verstanden hat.

Amüsiert freue ich mich über Cigaro und einem sehr starken Set der Band, welche Rock am Ring 2017 gebührend zu Ende bringt.

Rock am Ring 2017 ist also nach Hause gekommen und hat gleich eine neue Herausforderung meistern müssen, welche Fans und Festival noch enger zusammenschweißt.

Abschließend ist es mir besonders wichtig, auch einen Blick Richtung Flugplatz in Mendig zu werfen, wo die vergangenen Jahre mit Unwettern zu kämpfen war.

Kachelmannwetter resümiert wie Folgt:

Insgesamt gab es drei kräftige Gewitter auf dem Flugplatz Mendig (am 03.06.2017 gegen 12.30 und 15:34 Uhr sowie um 18:25 Uhr). Ein weiteres Gewitter mit vielen Blitzen ist gegen 20:20 Uhr am Samstag südöstlich an Mendig vorbeigezogen. Tatsächlich gab es wieder Blitzeinschläge auf dem Flugplatzgelände in Mendig: am 03.06.2017 um 12:32 und 12:33 Uhr: 2 Erdblitze auf dem Flugplatzgelände, einer davon ein „starker Knaller“. Am 03.06.2017 um 15:34: 1 Erdblitz auf den früheren Parkplätzen zu RaR .

Damit haben MLK & Live Nation mit der Verlegung an den alten Standort voll ins Schwarze getroffen. Lediglich die Frage, ob man einen Bühnentausch der Volcano und Crater Stage in Erwägung gezogen hat, um den Bereich vor der Hauptbühne zu entlasten, bleibt offen.